35. Woche

Zumindest befand ich mich in dieser Woche, als ich diese Seiten geschrieben habe. Ort des Geschehens: Esbjerg, Dänemark. Ich begrüße meinen alten und neuen Leser(-Innen) zur Neuauflage dieses kleinen Tagebuches, das ich seinerzeit in Schweden begonnen habe. Mal schauen, ob dieses Semester ähnlich interessant wird...

Donnerstag, 26.08.2004

An diesem Tag beginnt meine kleine Dänemark-Tour. Morgens früh um 5.45 Uhr habe ich mich auf die A2 gen Hannover gemacht, nur um sie 20 km vor Hannover wieder zu verlassen. Ein übergroßes Vollsperrungs-Schild (welches natürlich in keinem Staubericht Erwähnung fand) schickt mich auf die Landstraße. Die netten orangenen Pfeile verlieren sich dann in Hannovers Innenstadt - aber ich bilde mir ein, ohne Umwege wieder da heraus gefunden zu haben. Der Rest der Strecke verläuft dann eigentlich problemlos: Auf die A7 Richtung Hamburg, kurz vor der dänischen Grenze in Tarp nochmal volltanken (7,5 Liter Verbrauch - wow!), und auf der dänischen Autobahn kann man sich ja eigentlich nicht mehr verfahren. Ich habe jedenfalls keine Karte gebraucht, und auch die Uni nach recht kurzer Zeit gefunden.
Die verantwortliche Koordinatorin für unser Studienprogramm war ja schon in der Vergangenheit nicht oft per Email zu erreichen - daran hat sich nichts geändert. Sie ist bis Anfang September in Athen bei den olympischen Spielen. Scheint ein toller Arbeitsplatz hier zu sein, soviel Urlaub will ich später auch einmal haben...
Die Uni liegt jedenfalls nett in einem Park und ist auch recht übersichtlich. Damit komme ich auch schon zum ersten, wenig überzeugenden Punkt: Das ist, wie ich bereits befürchtet habe, meine Unterbringung. Fern der Uni aber nahe der Innenstadt, muß ich mir Küche und Bad müßte mit 3 Leuten teilen, im Moment ist noch ein Zimmer unbelegt. Die Küche selber ist nur eine Nische auf dem Flur und bietet keinerlei Sitzgelegenheiten, das gemütliche Beisammensein wie es in Schweden der Fall war kann ich hier also vergessen. Viel zu erzählen gäbe es da wahrscheinlich eh nicht, im ganzen Haus sind, so wie's aussieht, zwei Studenten; Mein Kollege ist aber noch nicht da. Die restliche Belegschaft besteht aus einem arbeitslosen Iraner und dänischen Fischfabrik-Arbeitern. Nichts gegen die Leute - aber was soll ICH hier? Mein Gesprächsstoff ist mir schon beim zweiten Treffen auf dem Flur ausgegangen.
Der einzige Vorteil, den ich bisher ausmachen konnte, ist mein Fenster mit Hafenblick. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, bin ich aber nicht umbedingt gewillt hier zu bleiben. Da stehen wohl ein paar harte Diskussionsrunden mit der verantwortlichen Urlauberin auf dem Plan. Wenn sie denn mal irgendwann wieder da wäre...

Freitag, 27.08.2004

Nach einer Nacht im Schlafsack habe ich heute Morgen als erstes das Büro aufgesucht, um angemessenen Ersatz für die doch schon etwas überalterte Schlafausrüstung zu bekommen. Anstelle der rissigen und fleckigen Decke (auf die Andenken der Vorbesitzer kann ich gerne verzichten), bzw. des Kopfkissens habe ich nun dieselben Teile im beinahe-Neuzustand. Warum nicht gleich so?
Außerdem habe ich mal versucht, zwischen den Regenpausen die Stadt per Fuß zu erkunden. Es gab nur wenige dieser Pausen - also bin ich auch nicht sonderlich weit gekommen. In den Einkaufsstraßen fühlte ich mich jedenfalls wie Zuhause; Man merkt doch, daß in einigen deutschen Bundesländern noch Sommerferien sind. Wenn man die deutschen Touristen im Norden an den schreiend bunten Gore-Tex-Kampfanzügen immer noch nicht erkannt hat, dann schafft man das spätestens wenn man auf Hör (Ruf-) Weite herangekommen ist. Weiteres Ergebnis meines Ausflugs: So wie es aussieht,werde ich die Alarmanlage vom SJ nicht weiterhin strapazieren müssen. In der Nachbarschaft gibt es lohnendere Ziele als einen 12 Jahre alten japanischen Kleinst-Geländewagen...

Samstag, 28.08.2004

Frisch eingedeckt habe ich heute erstmal ausgeschlafen - aber der Sonnenschein vor dem Fenster hat mich dann doch zum Aufstehen überredet. Entgegen der Wetterlage der vergangenen Tage hat es heute nur einmal kurz geregnet. Also habe ich das Wetter genutzt, mir die Uni-Gegend mal genauer angesehen und einen Ausflug zum Strand gemacht. Im Straßenverkehr von Esbjerg völlig überraschend: Kein Autofahrer drängelt, alle fahren völlig normal und rücksichtsvoll. Unglaublich. Genauer betrachtet ist es aber kein Wunder, daß hinter dem Steuer alle Dänen völlig entspannt sind: Die haben sich bestimmt vorher schon auf zwei Rädern abreagiert. Der Fahrstil der Fahrradfahrer erinnert jedenfalls teilweise an willkürliche Suizidversuche. Und dennoch: Die Autofahrer lächeln, bremsen, bleiben auch mal minutenlang stehen um ganze Fahrradfahrer-Kolonnen vorzulassen. Einfach irre...

Sonntag, 29.08.2004

Auch heute wurde ich vom Sonnenschein geweckt, aber zum Mittag hatte sich das leider wieder erledigt. Ich habe mir nochmal die Innenstadt angesehen, und bin anschließend durch den Hafen geschlendert. Schöne Sachen gibt es hier zu sehen: Mehrere Bohrinselversorger, diverse Schlepper und Sonderschiffe sowie die Fähren nach Fanö und England. Da die Entscheidung zum Hafenbesuch mich spontan in der Einkaufsstraße ereilte (in der Sonntags weniger los ist als in Lemgo), hatte ich dummerweise die Kamera nicht dabei, aber das werde ich nachholen.
Schock beim Mittagessen: Wenn ich bisher davon ausgegangen war, daß meine eigenen Kochkünste recht unterentwickelt sind, wurden diese Ansichten heute relativiert. Was meine Nachbarn da alles in einen Topf gequetscht haben, war wirklich nicht mehr schön mit anzusehen - von der Geruchsentwicklung ganz zu schweigen. Dagegen sah mein Mikrowellen-Fertiggericht fast aus wie ein Sterne-Menü. Es schmeckte auch bestimmt besser...