40. Woche

Zumindest befand ich mich in dieser Woche, als ich diese Seiten geschrieben habe. Ort des Geschehens: Esbjerg, Dänemark. Diese Woche habe ich zusammen mit meinem Nachbarn aus Nummer 48 Küchendienst. Wäre doch gelacht, wenn man bis zum Wochenende nicht vom Boden essen könnte...

Montag, 27.09.2004

Ich hätte mich liebend gerne nochmal im Bett umgedreht heute morgen, und am Ende der Vormittagsvorlesung fragte ich mich ernsthaft, warum ich's nicht getan habe. Es waren anstelle der üblichen ca. 40-50 Studenten nur ganze 12 anwesend, und der Dozent ("Prof" nenne ich ihn bewußt nicht, da er es nicht ist, und gerade auf seinen Doktortitel hin arbeitet) hat ohne auf Zwischenfragen einzugehen seine Folien heruntergespult. Dafür brauche ich keine Vorlesung, das kann ich auch am Rechner haben. Wobei ich mir sicher bin, daß Google in dem Falle eine kompetentere Anlaufstelle gewesen wäre. Beispiel gefällig?
"We can go through these slides quickly, because we discussed them last lecture."
"No, we didn't...?" - "Anyway, then you can have a look at them at home."
Das galt wohl für die gesamte Vorlesung. Ich bin doch immer wieder begeistert, wenn die Vortragenden einfach nur eine akustische 1:1-Wiedergabe des auf dem Rechner heruntergetippten zum Besten geben (das kann Adobe's Acrobat Reader in der Version 6.0 auch), ohne weiterführende Erklärungen, welche nachweisen könnten daß sie ihrerseits ihr Material durchschauen. Hab's schon verstanden, das also ist eine Vorlesung. Sind meine Ansprüche zu hoch?
Als wenn sich die Lehrkörper heute abgesprochen hätten, wurden in der Nachmittagsvorlesung von einem Gastredner aus San Francisco (immerhin...) sage und schreibe 298 Powerpoint-Folien in 4 Stunden durchgezogen. Unglaublich. Wobei der Sekundenschlaf bei mir ca. die Hälfte der Folien ausgeblendet hat, aber so wichtig war's eigentlich eh nicht. Das Thema hätte bestimmt auch auf einem Zehntel der Folien Platz gefunden.
Um den Tag der Katastrophen gebührend abzurunden, haben sich heute unsere Küchengeräte zu einem kollektiven Streik zusammengefunden; Kurz gesagt: Es hat die 400V-Sicherung rausgehauen, warum weiß keiner so genau. Das wäre ja an sich schnell zu beheben gewesen, wenn wir denn Zugriff auf den Sicherungskasten gehabt hätten. Aber dafür muß leider ein Techniker anrücken, der auch tatsächlich irgendwann in den Morgenstunden die Sicherung wieder reingedrückt hat. Diese Blitzreparatur hielt vor bis exakt 11.45 Uhr. Seitdem habe ich keinen Elektriker im Haus gesehen. Aber immerhin kennt man jetzt auch die Küchen auf den anderen Etagen...

Dienstag, 28.09.2004

Ein ganz normaler Tag, diesmal ohne Ausrutscher in Vorlesungen, die eine Erwähnung wert wären - leider auch ohne positiv hervorzuhebende Aspekte. Dafür hatte ich am Abend den Kommunikations-Overkill, als ich gleichzeitig versuchte einer Audio-Konferenz mit drei Leuten zu folgen und mit vier anderen über ICQ geschrieben habe. Das artet schon fast in Streß aus...
Ach ja, und morgen früh kann ich erstmal ausschlafen, weil die Vormittagsvorlesung ausfällt. Das sind doch mal gute Nachrichten.

Mittwoch, 29.09.2004

Schön war's, einfach mal mitten in der Woche auszuschlafen. Ich habe dann aber festgestellt, daß dieser Zustand für alle anderen Studenten vom Flur völlig normal ist. Deren Vorlesungen beginnen üblicherweise nicht wie meine um 8 Uhr, sondern erst gegen 10. So gut möchte ich es auch mal haben...
Nachmittags erwartete uns dann noch eine Besprechung zum bisherigen Semesterverlauf, wo wir Anregungen und Kritik geben konnten. Viel gab's da natürlich nicht zu sagen, weil wir trotz vier verstrichener Wochen noch nicht wirklich was getan haben. Insgesamt gesehen ist uns dann erstmal aufgefallen, daß dieses Semester doch recht ruhig ist, verglichen mit den vollgepackten Wochen in Deutschland und Schweden.
Noch was Neues aus der großen weiten Welt: Die jungen Grünen aus Zürich wollen Geländewagen in Großstädten verbieten. Eigentlich ist die bloße Nennung dieses Ansinnens schon zuviel der Beachtung, aber ich habe mich doch etwas über die vollends schwachsinnige und unhaltbare Argumentation geärgert, noch dazu wo dieses Thema mittlerweile sogar zu Spitzen-Sendezeiten auf Talkshow-Niveau im schweizer Fernsehen plattgetreten wird.
Das Wichtigste dazu in Kurzform: In Zürich laufen junge Mitglieder der Grünen durch die Stadt und bekleben Geländewagen mit "Offroader raus!"-Parolen. Ähnliches kennt man ja eigentlich eher aus Hannover, nur dort nennt man das "Chaos-Tage". Geländewagen sollen also nicht mehr in Städten fahren. Warum? Sie nehmen allen anderen Verkehrsteilnehmern die Sicht, so daß diese Unfälle bauen, brauchen mehr als doppelt soviel Sprit wie normale PKW, und jagen kleine Kinder. Außerdem sind es ja nur Statussymbole, die man sich so zwischendurch kauft um stilgerecht zum Golfen zu fahren.
Spitzen Argumentation, oder? Ich hätte nicht gedacht, daß man selbst unterhalb des Stammtisch-Niveaus noch Politik betreiben kann, geschweige denn damit im Fernsehen auftritt. Naja, mit dem Ende der Sommerpause wird hoffentlich auch diese unüberlegte Aktion wieder in irgendeiner Schublade veschwinden. Die grünen Jungs waren ja nichtmal in der Lage, den Begriff "Offroader" näher zu definieren - aber man kann ja erstmal dagegen sein. Pauschalopportunismus sozusagen.

Donnerstag, 30.09.2004

Jetzt weiß ich endlich, was ich hier an der Uni bisher vermißt habe: Wir haben Vorlesungen, Übungen, und heute wollten wir die erste praktische Übung im Fach "Computer Vision" angehen. Und da fällt dann erstmal auf: Es gibt hier keine Labore! Die Profs haben zwar Büros (wo sie nur in ganz seltenen Fällen anzutreffen sind), wir haben Unterrichts- und Projekträume; Aber es gibt nichts, wo man Versuche durchführen könnte. Also mußten wir das mit privater Ausrüstung im Projektraum machen. Ganz toll. Na schön, wir hätten auch Dinge wie Rechner, Kamera, etc. leihen können, wenn denn jemand zum Verleihen da gewesen wäre.
Die Nachmittagsvorlesung war dann eher einschläfernd, weil so ziemlich jeder irgendwann aufgegeben hat, den Prof zu verstehen. Nicht inhaltlich, sondern akustisch. Stellenweise haben wir uns gefragt, ob er nun englisch oder dänisch spricht...?

Freitag, 01.10.2004

Und schon ist wieder Oktober. Dieser Umstand war auch der Auslöser für einen Großteil meiner Mitbewohner, mit dem Zug zum gleichnamigen Fest nach München zu fahren, um sich mal so richtig wegzukippen. Nein, ich habe mich ihnen nicht angeschlossen. Als Begründung könnte ich jetzt natürlich meine studienbedingten Verpflichtungen vorschieben (*hüstel*), aber es liegt schlicht und ergreifend an der Tatsache, daß der Spaß ungemein teuer ist. Wobei mir gerade einfällt, daß ich ja sogar schon zwei Leute da unten gekannt hätte... ;-)
Naja, jedenfalls haben meine Mitbewohner einen wunderschönen Herbsttag verpaßt, der leider viel wärmer aussah als er tatsächlich war.

Samstag, 02.10.2004

Wochenende! Und Sauwetter. Es hatte gerade mal solange mit dem Regnen aufgehört, daß ich es trockenen Fußes zum Einkaufen geschafft habe. Der Tag war an sich nicht sonderlich ereignisreich, nur Abends hat sich das dann geändert: Alle auswärtigen Studierenden hatten Getränkemarken für den "Pub Crawl" bekommen, man bekam in 12 verschiedenen Kneipen jeweils ein Getränk umsonst. Das haben die meisten dann auch ausgenutzt, soweit es die zeitlich begrenzte Gültigkeit der Freimarken zuließ. Immerhin habe ich von den 12 Möglichkeiten 8 genutzt und in alkoholfreie Getränke umgesetzt - dabei wird man zwar angeschaut, als hätte man gerade lauwarmes Spülwasser bestellt, aber immerhin konnte ich von Pub zu Pub eine gerade Linie laufen. Gegen 1 Uhr habe ich mich dann aus dem Saufgelage verabschiedet.

Sonntag, 03.10.2004

Mein relativ früher Abbruch des gestrigen Abends hatte auch seine guten Seiten: Ich konnte früh aufstehen, in Ruhe frühstücken, und hatte schon einen ausgedehnten Strandspaziergang hinter mir, als die meisten noch schliefen. Leider wurde mein Fußmarsch im Sand unfreiwillig beendet, als eine fiese, schwarze Regenfront unvermittelt aufzog. So unvermittelt, daß ich schon durch war noch bevor ich das Auto erreicht hatte. Zuhause angekommen und gerade wieder getrocknet wechselte das Wetter natürlich wieder auf strahlenden Sonnenschein.