38. Woche

Zumindest befand ich mich in dieser Woche, als ich diese Seiten geschrieben habe. Ort des Geschehens: Esbjerg, Dänemark. Neues von schlechtem Wetter, langweiligen Vorlesungen und horrenden Ausgaben.

Montag, 13.09.2004

Am heutigen Tag mußte ich die Schlüssel meiner alten Wohnung zurückgeben und diese bezahlen. Zu meinem Leidwesen habe ich dabei wieder einmal feststellen müssen, daß in Dänemark nicht nur alles etwas teurer ist, sondern die Dänen auch sehr einfallsreich beim Erfinden und Begründen neuer Ausgaben sind. Ich mußte nicht wie erwartet die halbe Monatsmiete bezahlen, sondern erstmal die ganze. Weil die normale Kündigungsfrist ja eben ein Monat ist und nicht ein halber, wie er mir jetzt auch nur unter der Bedingung eingeräumt wird, daß der vom Büro gefundenen Nachmieter auch wirklich einzieht. In diesem Falle bekomme ich dann die Hälfte zurück, ansonsten habe ich eben die Wohnung für den ganzen Monat bezahlt. Großartig, man hat's ja.
Und man hat's gleich so dicke, daß einen die nächste Rechnung auch nicht mehr groß schocken kann: Für mein jetziges Zimmer muß ich auch nicht wie anfangs erwartet den halben September bezahlen, sondern den vollen, zuzüglich der Kaution in Höhe zweier Monatsmieten. Macht unter'm Strich nochmal ca. 850 Euro. Wird Zeit, daß das Geld mal wieder in der anderen Richtung fließt...
Ach, bevor ich's vergesse: Die Vorlesung heute war zum davonlaufen. Zum siebenundzwanzigsten Male habe ich mir angehört, wie man eine Ausarbeitung strukturiert, vorschriftsmäßig zitiert und auch sonst gängigen Ansprüchen an wissenschaftlichem Schreiben gerecht wird. Ich weiß es jetzt. Und ich wußte es auch schon in den zwei Semestern davor. Die einzige Wissenserweiterung, die dieses Fach (problem based learning) für mich bereithält, ist der Ausbau der Fähigkeit, nach außen hin gleichzeitig wißbegierig und interessiert zu wirken, während man eigentlich schon längst tief schläft.

Dienstag, 14.09.2004

Na gut, einen Lichtblick hatte der gestrige Tag dann doch noch, in Form seines Abschlusses: Unsere beiden Italiener haben Pasta für den ganzen Flur gekocht, es folgte ein feucht-fröhlicher und recht musikalischer Abend. Darauf nehmen die Vorlesungen heute aber leider keine Rücksicht, los ging's um 8 Uhr mit "Control Theory". Treffender wäre allerdings die Bezeichnung "Grundgebiete der Elektrotechnik" (bekannt aus den ersten beiden Semestern des Grundstudiums) gewesen, wir haben uns drei Stunden lang die Laplace-Transformation erklären lassen. Auf einer blau-gelben Powerpoint-Vorlage mit roter und scharzer Schrift, das drohende Einnicken wurde also immer wieder durch neue augenkrebsfördernde Muster auf der Leinwand unterbrochen. Mir stehen jetzt noch die Kreise vor den Augen...
Aber es stand ja auch noch eine vielversprechendere Veranstaltung im Kalender: "Software Technologies" um 12.30 Uhr, und diesmal waren wir sogar vollzählig erschienen.
12.57 Uhr: Unsere Anwesenheit steht im Widerspruch zu der des Lehrkörpers, nach Rücksprache mit dem Büro ist die Vorlesung anscheinend spontan und ersatzlos gestrichen. Vorteilhaft im Hinblick auf die Freizeitgestaltung, aber dumm gelaufen, wo ich doch gerade so schön motiviert war (tiefer konnten wir nach dem Vormittag ja nicht mehr sinken...).

Mittwoch, 15.09.2004

Hm, wie war das noch gleich? In diesem Semester werden sechs Fächer angeboten, aber nur in fünf davon müssen wir eine Klausur schreiben. Damit fällt also ein Fach weg, und als Rauswurfkandidat hat sich heute die Vorlesung vom Vormittag geradezu vorgedrängelt: "Database Systems", was zwar erstmal inhaltlich interessant klingt und in Hinsicht auf die Zeit nach dem Studium bestimmt nicht verkehrt wäre, aber irgendwie nicht zu motivieren vermag. Ich schiebe es mal auf den indischen Doktoranwärter, der lediglich fremde Powerpointfolien abspult, die er offensichtlich selber zu ersten Mal sieht. Noch dazu erinnert seine Aussprache an den Taxifahrer aus der KitKat-Reklame, sodaß man sich wie in einer schlechten Comedyserie vorkommt...
Ich sehe gerade, morgen abend gibt's französisches Essen in der Küche. Da muß ich dann wohl demnächst auch was landestypisches herrichten - kennt jemand ein typisch deutsches Gericht, für dessen Zubereitung man nicht mindestes drei Töpfe braucht?

Donnerstag, 16.09.2004

Na endlich habe ich den Professor für das Computer Vision-Projekt gefunden. Er konnte diesmal auch schlecht davonlaufen, da wir den Vormittag über bei ihm Vorlesung hatten. Diese war auch endlich mal interessant: Es wurden keinerlei Bücher als Kursliteratur empfohlen, es wurden keine hundertmal durchgekauten Themen aufgewärmt, und wir wurden auch nicht stundenlang mit Theorie gequält. Stattdessen gab es einen kurzen Überblick über mögliche Probleme aus dem Themenbereich, und dann wurde auch schon die erste Übungsaufgabe ausgeteilt - in Form einer Problembeschreibung, etwaige Ansätze oder Zeitvorgaben wurden uns überlassen. Das versteht man hier also unter "Problem based learning", und ich finde die Idee garnicht mal schlecht.
Na gut, es funktioniert auch nur dann, wenn man zuvor schonmal zumindest ähnliche Aufgaben behandelt hat, gerade das schien bei den anderen Kursteilnehmern nicht der Fall gewesen zu sein. Den Gesichtsausdrücken und herunterfallenden Kinnladen nach zu urteilen hatte der Prof ihnen damit sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weggezogen. Dabei haben wir die Grundlagen dafür in Schweden seinerzeit gelernt, und ich habe zumindest eine grobe Vorstellung davon, wie das Ziel zu erreichen ist. Nach ersten Rücksprachen mit dem Prof liege ich damit garnicht mal so verkehrt (*schulterklopf*), und er hat auch nichts dagegen, daß ich die für dieses Semester vorgesehene Projekt-Teamarbeit alleine angehe. Nur ein vernünftiges Thema muß ich noch finden, seine ersten Vorschläge zum Thema virtual Reality enthalten mir irgendwie zuwenig E-Technik.
Abseits des eigentlichen Studierens gab es heute Abend noch das angekündigte französische Essen, welches vom deutschen offensichtlich garnicht soweit entfernt liegt. Anschließend haben wir noch mit ein paar Leuten der Studentenbar hier auf dem Gelände (welche auch ausschließlich Donnerstags geöffnet hat) einen Besuch abgestattet, aber unglaubliche Mengen an Zigarettenqualm und der Gedanke an das frühe Aufstehen morgen früh haben mich recht schnell wieder nach Hause getrieben. Und Duschen mußte ich ja auch noch, um den druchdringenden Nikotingestank wieder loszuwerden...

Freitag, 17.09.2004

Die Vorlesung heute morgen war irgendwie unglaublich ermüdend. Der Grund war wohl hauptsächlich darin zu suchen, daß ich nicht auf einer der zahlreichen Powerpoint-Folien irgendetwas Neues ausmachen konnte, irgendwie ist mir das Alles schonmal im Studium begegnet - grob geschätzt im zweiten oder dritten Semester (siehe Dienstag...).
Abends hat der Rest des Flures mich dann nochdazu überredet, mit auf eine Kneipentour in die Stadt zu kommen. Lustig war's schon, aber da meine Ansprüche hinsichtlich der Musik über dem hier anscheinend üblichen Ballermann-Niveau liegen, war es für mich streckenweise eher eine Qual denn ein Vergnügen. Schon gut, mein Musikgeschmack ist nunmal schwer zu treffen, aber ich dachte ich könnte eigentlich erwarten, daß die Zappelbuden hier mehr als eine CD im Wechsler haben.
Bis drei Uhr habe ich es ausgehalten, dann aber doch das Weite gesucht - und gefunden...

Samstag, 18.09.2004

Wie nicht anders zu erwarten, fand mein Frühstück heute etwas später als üblich statt. Naja, was soll man an einem Samstag auch schon groß verpassen. Der Tag eignet sich jedenfalls gut zum Zimmer Aufräumen und Saubermachen.
Außerdem habe ich heute eine Bäckerei gefunden, nur 10 Fußminuten von meiner Haustür entfernt. Damit sind dann die Sonntagsbrötchen gesichert, auch ohne daß ich deswegen in die Stadt fahren muß.
Und wo ich gerade so vor dem Notebook sitze und ein wenig mit der WLAN-Karte spiele, habe ich doch glatt einen Access point gefunden - offen wie ein Scheunentor, ich könnte ihn problemlos von hier aus konfigurieren und den eigentlichen Besitzer aussperren. Tu' ich natürlich nicht, da ich kein Interesse daran habe. Leider ist kein Internet dahinter, welches ich nutzen könnte, von daher hat sich meine Neugier wieder schnell gelegt. Vielleicht ändert der Besitzer das ja noch, dann kann ich ihm gegen eine Mitbenutzung das Ding auch so einrichten, daß nicht das halbe Wohnheim sein Netzwerk mitbenutzt.

Sonntag, 19.09.2004

Zunächst das Wichtigste: Heute ist nicht irgendein Tag. Es ist ein Geburtstag, und zwar der meiner Schwester. Happy Birthday, Anika! Und ich Depp habe natürlich vergessen, eine Karte zu schrieben. Asche auf mein Haupt. Naja, in den heutigen Zeiten macht man das ja eh alles elektronisch, daher habe ich ersatzweise schonmal eine entsprechende Email vorbereitet. Die kann zwar eine handgeschriebene Karte doch nicht ganz ersetzen, ist aber besser als ganz ohne Alles dazustehen. Gutes Wetter habe ich auch bestellt, aberso wie's aussieht hat der Sonnenschein nur für Esbjerg gereicht.
Deshalb bin ich auch nach dem Mittagessen nochmal mit den Inlinern losgerollt, um die Kalorien der fünf Pfannkuchen wieder abzustrampeln. Gebracht hat's aber nicht viel, ich fühle mich aber immer noch proppenvoll.