45. Woche

Zumindest befand ich mich in dieser Woche, als ich diese Seiten geschrieben habe. Ort des Geschehens: Esbjerg, Dänemark. Das semesterfüllende Projekt macht Fortschritte, und bis Mittwoch muß noch eine Präsentation in "Team"-Arbeit fertig werden.

Montag, 01.11.2004

So langsam aber sicher haben wir ein Problem: Am Mittwoch sollen wir mit vier Mann insgesamt 11 Kapitel eines Buches in Seminarform präsentieren. Unabhängig davon, daß mir der tiefere Sinn dieser Aktion verborgen bleibt, stellt sich die Frage: Woher nehmen wir das Buch? Ich habe letzten Donnerstag mit der Suche in den beiden verfügbaren Bibliotheken begonnen, in der irrigen Ansicht, daß sechs Tage für die Vorbereitung genügen würden. Das Buch hätte jedoch in beiden Fällen bestellt werden müssen, Lieferzeit ein bis zwei Wochen.
Nun gut, das ist schonmal unverschuldet dumm gelaufen. Aber, jetzt kommt's: An wen wendet man sich in einer solch verfahrenen Situation? Jau, richtig, den Dozenten, denn der muß das Buch ja schließlich auch haben. Dem ist auch so, aber noch dazu ist es ein Mann mit Prinzipien. Eines davon lautet: Verleihe nichts, schon garnicht an Studenten, und erst recht nicht im Notfall. Das daraus folgende Prinzip wollte er uns in seiner charmanten Art auch nicht vorenthalten: Das typische an Vorlesungen ist der Büchereinkauf. Und die Grundlage einer jeden bestandenen Prüfung ist selbstverständlich die Beschaffung aller Bücher, die vom Dozenten verlangt werden.
Also sollten wir uns das Buch doch gefälligst kaufen, kostet ja bloß 50 Euro, und wir werden es sowieso nur für dieses eine Seminar brauchen. Das haben wir dann auch gemacht, gemeinsam mit allen weiteren Studenten, die aus demselben Buch eine Vorlesung halten sollen, zu welcher der oben genannte (Zitat Henning) "faule Sack" offensichtlich nie Bock hatte.

Dienstag, 02.11.2004

Heute war schonmal ein Seminar in diesem Tiefpunkt aller Vorlesungen, morgen folgt dann das Unsere. Um uns nochmal so richtig zu motivieren, hat der faule Sack am Ende dieser Stunde seine drei Postulate verkündet, nach denen jeder Student seiner Ansicht nach zu studieren hat: 1.) Er verleiht nie seine Bücher und antwortet grundsätzlich nicht auf Emails. 2.) Man kann seine Prüfungen nur bestehen, wenn man alle Bücher gekauft und gelesen hat (Frei übersetzt: Erkaufe Dir deine Prüfungsergebnisse gefälligst - was ein Glück, daß er bei unseren Prüfungen nur eine kleine Nebenrolle spielt).
Und 3.) Der Sinn eines Master-Studienganges besteht dem Wortsinn nach darin, etwas zu meistern. Und das fängt schon bei den Vorlesungen an, die der Student eben auch selber zu machen hat.
Angesichts dieser Anhäufung von Arroganz, Überheblichkeit und absurden Ansichten, bzw. Weltvorstellungen bleibt wohl nur der Schluß zu ziehen, daß er offensichtlich im falschen Beruf gelandet ist. Wünschen wir ihm baldige Genesung, oder zumindest einen frühzeitigen Rückfall in die Realität.

Mittwoch, 03.11.2004

Ach ja, ich vergaß zu erwähnen daß die Vorbereitung der heutigen Präsentation bis viertel nach eins gedauert hat. Aber immerhin sind 73 Folien dabei herausgekommen. Müßig zu erwähnen, daß in unserem großartigen Team nur eine Person der Powerpoint-Bedienung fähig war. Ihr dürft raten, wer.
Die Präsentation selber ist dann garnicht mal so schlecht gelaufen wie erwartet, meine sonst übliche Nervosität hat sich während der fast 40 Minuten nichtmal im Ansatz gezeigt. Vermutlich auch deshalb, weil es ja eh nichts zu gewinnen oder verlieren gab. Immerhin hatte der faule Sack bei meinem Teil nicht die Füße auf dem Tisch gehabt, wie bei fast allen Anderen. Ich hatte mich innerlich schon auf ein kleines Duell diesbezüglich vorbereitet. Jetzt so langsam verraucht auch der Ärger der letzten Tage wieder.
Nichts Neues auch im Westen: Bush hat es mal wieder geschafft, aber ich weiß nicht so recht, ob die Bestätigung meiner eigentlich zynisch gemeinten Prognose Anlaß zur Freude ist.

Donnerstag 04.11.2004

Endlich mal wieder normale Vorlesungen - keine fragwürdigen Seminare, einfach nur computer vision vormittags, und fuzzy logic am Nachmittag. Bei Letztgenanntem sollten wir allerdings mal langsam über einen Dolmetscher nachdenken, der Prof spricht nicht nur in wirren Sätzen (das wäre bei seinem Berufsstand kein Anlaß zur Sorge), sondern legt in letzter Zeit eine dramatisch schlechte Aussprache an den Tag. Nach spätestens drei Sätzen muß man nachfragen, und weil das natürlich eher negativ auffällt, läßt man es irgendwann. Dieser Umstand reduziert das Verständnis auf das Niveau eines flüchtig gelesenen Buches. Wie war das noch? Master-Studium bedeutet, etwas zu meistern. Es hat uns aber niemand gesagt, daß damit nicht das Fachliche gemeint war...
Hm, ich habe bei der Aktualisierung gerade mal versucht, OpenOffice als HTML-Editor zu verwenden. Toller Müll, meine 8kB-Datei hat sich spontan um 2kB - also 25%! - aufgebläht, alles nutzloser Kram wie Leerzeichen-Formatierung, CSS-Definitionen, Meta-Tags, alle HTML-Tags waren auf einmal groß geschrieben... Der Schrott kommt mir nicht nochmal unter.

Freitag, 05.11.2004

Die Vorlesung heute morgen verlief zur Abwechslung mal in Kooperation mit einem anderen Fachbereich - Medienproduktion gibt es auch hier. Und nach dieser Vorlesung muß ich sagen: Das läuft hier genauso wie in Lemgo. Ein Haufen hochkreativer, aber technisch völlig unwissender junger Studenten sitzt begeistert vor einer 3D-Brille und hat ganz tolle Ideen, was man da alles mit machen könnte. Vor lauter Kreativität kommt aber niemand auf die Idee, mal nach dem "wie" zu fragen. Ausgangspunkt aller Diskussionen war eine fotorealistische, dreidimensionale Umgebung, die einem Betrachter präsentiert werden soll. Technisch bedingt sind dabei nur Momentaufnahmen möglich (also keine Filme), und eine Frage war, wie man die korrekte 3D-Darstellung der Umgebung durch Testpersonen überprüfen könnte.
Unsere kleine IT-Gruppe hatte recht schnell ein paar Möglichkeiten gefunden, die als Ansatzpunkt bestimmte Parameter der 3D-Berechnung ins Auge gefaßt hatte, wie Augenabstand, Auflösung der Bilder, etc.. Alle anderen Gruppen hingegen wollten z.B. einen beweglichen Fußboden einführen (???), oder aber bewegte Objekte als animierte GIFs (*prust* - ja genau, 256 Farben in fotorealistischer Umgebung - am Besten noch Foren-Smileys...) in die nach wie vor unveränderbar statische Landschaft einbinden. Spontane Erheiterungsausbrüche auf unserer Seite vermischten sich mit Fassungslosigkeit und Verwzeiflung auf Seite der Dozenten - na immerhin war der Tag nicht langweilig.

Samstag, 06.11.2004

Mein Verständnis der dänischen Sprache macht langsam Fortschritte, das Wesentliche an was ich mich gewöhnen muß, ist die Ähnlichkeit zu Deutsch; Während ich bei Französich und Englisch grundsätzlich auf eine andere Grammatik, einen anderen Satzbau umschalte, darf man das bei Dänisch gerade nicht machen - da ist (fast) alles wie im Deutschen, nur mit anderer Aussprache. Naja, ich denke mal am Ende des Semesters werde ich immerhin einen Teil verstehen können, das Sprechen jedoch wird sich auf ein paar grundsätzliche Phrasen beschränken, aber das ist ja auch schonmal was.
Ah, es ist ja Samstag, was fehlt da noch? Die Party. Wie eigentlich jeden Samstag. Aber irgendwie sinkt meine Motivation von Woche zu Woche, weil ich wirklich keinen Anreiz darin sehe, sich das Hirn wegzuschütten und die Lunge zu teeren. Ich habe der Form halber mal für 'ne halbe Stunde vorbeigeschaut, aber toll war es nicht. Ich mag kein Weihnachtsbier aus Dosen, ich kann Zigarettenqualm nicht ausstehen, und des Spanischen bin ich auch nicht mächtig (bei solchen Gelegenheiten merkt man recht schnell, welche Gruppe in der Überzahl ist), also: Was soll ich da?

Sonntag, 07.11.2004

Die ganzen Partyleichen von gestern haben heute den größten Teil eines wunderschönen, sonnigen Tages verpennt. Ich habe ihn lieber zur Zerstreuung genutzt, was mir bei einem Spaziergang im Park und einer Modellbootstour am Strand auch gelungen ist. Ja, richtig gelesen, ich habe mein erstes Boot in der Nordsee schippern lassen. Natürlich die ganze Zeit mit einem äußerst kribbeligem Gefühl in der Magengegend, wobei die Wellen nichtmal ein Problem darstellten. Wohl aber die Strömung, die nur in Ufernähe vom Motor zu kompensieren war; Ab einer Entfernung von ca. 5 Metern reichte es gerade noch, um die Position zu halten. Da war es auch ganz gut, daß ich das erste Schwächeanzeichen des Fahrakkus sofort gemerkt hatte, zwei Minuten später, und die Dänen hätten einen verrückten Touristen gesehen, der in voller Montur schwimmend ein Spielzeugboot verfolgt...
Für diejenigen, die sich in meinem Fuhrpark besser auskennen: Die Lucky war da baden gegangen, und hat sich trotz ihrer sehr geringen Größe ganz gut geschlagen. Das Salzwasser hat weder Spuren noch Schäden hinterlassen.
Der Tag fand seinen Abschluß in der Küche, zusammen mit ein paar anderen Leuten zum Film "Enemy of the State" - Staatsfeind Nr.1, mit Will Smith. So im Nachhinein betrachtet liegt eine gewisse Ironie im Thema des Filmes: Der dort angekündigten totale staatlichen Überwachung wurde erst vor Kurzem durch den sog. "Patriots Act" der Weg geebnet...